
von Pamela Pabst, gelesen von Ingo Hoppe
Auf Schweigers derzeitige Lage paßte keine der Weisheiten seiner Mutter, nach denen er sein bisheriges Leben ausgerichtet hatte. Daß Männer getröstet werden mußten, kam da einfach nicht vor. Er hatte sich daran gewöhnt, den verständnisvollen, väterlichen Part in seiner Ehe zu haben, doch augenblicklich hätte er eine Schulter zum Anlehnen gut gebrauchen können. Vielleicht war es das Beste, soviel wie möglich aufzuschreiben, um die Seele zu entlasten und den Brief erst einmal unter Verschluß zu halten. Vielleicht konnte er ihn seiner Margot irgendwann einmal zeigen. Und wenn alles herauskam und sie ihn verließ, dann konnte er den Brief noch immer der Staatsanwaltschaft zukommen lassen. Ein zufälliger Blick auf eine Uhr am Haus gegenüber riß ihn aus seinen Gedanken. Wenn er sich jetzt nicht beeilte, kam er zu spät zum Gericht.
So gut es eben ging erledigte er seine Termine und kehrte dann zurück in die Kanzlei. Er wollte gerade an Frau Genest vorbei in sein Zimmer eilen, als er überrascht feststellte, schon wieder Besuch bekommen zu haben. Neben Frau Genest standen seine Frau und seine Tochter. »Papi!« rief Nina und wollte wie tags zuvor auf den Arm genommen werden. »Was macht ihr denn beide hier?« fragte er verwundert und nahm seine an ihm ziehende und zottelnde Tochter schließlich auf den Arm. Hatte er schon wieder etwas wichtiges zu Hause vergessen? »Wir haben eine Überraschung!« juchzte Nina ihm vorlaut ins Ohr und strich ihm durchs Haar, doch er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, was sie meinte. »Ja. Ich bin schwanger. Im vierten Monat! Ich kann’s noch gar nicht fassen! – Und es wird ein Junge!« berichtete Margot Schweiger strahlend und fiel ihm um den Hals. »Das ist der schönste Tag in meinem Leben!« Schweiger konnte es auch kaum fassen. Er war platt. - »Das ist ja eine freudige Überraschung«, sagte er mit zum Teil gespielter Euphorie in der Stimme,»vor allem, daß du schon so weit bist! – Aber müßte man das nicht eigentlich früher mitbekommen?« Natürlich freute er sich, doch zugleich wußte er nicht recht, ob er angesichts der verzwickten Lage über diese Neuigkeit wirklich glücklich sein sollte. Dieses Kind würde nun auch mit einer Lebenslüge aufwachsen.