Zwei Leben

Die Strafsache Wilhelm Schweiger

von Pamela Pabst, gelesen von Ingo Hoppe

06. Im Zweifel für den Angeklagten - in dubio pro reo

 

Der Prozeß gegen den Zuhälter Richard Gottwald sollte am Mittwoch, dem 4. März 1987, – einen Tag nach Wilhelm Schweigers 52. Geburtstag - vor der 23. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin beginnen. Dies war der Grund dafür, daß es am Vorabend gegen 22.30 Uhr an der Wohnungstür der Hauptbelastungszeugin Gundula Weber läutete. Diese dachte sich nichts Böses dabei, als sie öffnete, nachdem sie durch den Spion gesehen und einen uniformierten Polizisten erblickt hatte, doch dies sollte sich als Fehler erweisen. »Guten Abend, Polizeimeister Becker«, stellte dieser sich vor.

»Befindet sich in Ihrer Wohnung ein Herr Langgärtner?« »Nein«, antwortete Gundula Weber, doch da wurde sie schon unsanft von dem scheinbaren Polizeibeamten zurück in ihre Wohnung gedrängt.  Sie war wie gelähmt vor Angst. Was wollten diese Kerle von ihr? Wollten sie ihr Geld, wollten sie sie vergewaltigen? »Was wollen Sie von mir?« versuchte sie hervorzubringen, während der Gangster ihr den Mund zuhielt und sie mit dem Rücken an eine Wand drückte. Doch statt ihr zu antworten ließ er zu, daß noch weitere vier Männer in ihre Wohnung eindrangen. Sie waren bis zur Unkenntlichkeit vermummt und trugen Pistolen bei sich. Kurz darauf lag Gundula Weber mit Klebeband an Armen und Beinen gefesselt im Flur auf dem Fußboden. Sie glaubte, ersticken zu müssen, als man ihr auch noch ein Stück Stoff in den Mund stopfte und Klebeband um ihren Kopf wickelte, so daß sie ihre ungebetenen Gäste nicht mehr sehen konnte. »Lassen sie mich, bitte lassen sie mich«, wollte sie rufen, doch es ging nicht. »Du sollst morgen vor Gericht aussagen«, wandte sich der falsche Polizeibeamte an sie, während die anderen kein Wort sprachen, und Gundula Weber versuchte zu nicken. »Mit keinem Wort sagst du, daß Gottwald das Flittchen niedergestreckt hat! Ist das klar?« Sie versuchte, ihm zu antworten, aber er schien sie nicht zu verstehen, oder er wollte sie nicht verstehen. »Ob das klar ist?!« wiederholte er brutaler und schlug sie ins Gesicht, worauf sie verständlicher »Ja, klar« zu stammeln versuchte, in der Hoffnung, er würde sie nicht noch einmal schlagen. – Gundula Weber hatte Todesangst. »Wenn dich der Richter fragt, ob du Gottwald gesehen hast, dann sagst du, daß das nicht stimmt. – Du hast ihn nicht erkannt. – Hast du uns verstanden?« Er schlug sie abermals, bevor sie antworten konnte. Gundula Weber begann zu weinen, doch ihre Augen waren so verklebt, daß sie die Augenlider nicht mehr bewegen konnte und ihre Tränen nicht durch das Plastikband hindurchdrangen. »Und wenn dich der Richter fragt, warum dir das jetzt erst einfällt, dann sagst du, daß dir dieser Schweiger Geld gegeben hat dafür. – 20.000 DM. Jetzt kannst du aber mit deiner Schuld nicht mehr leben. Wir kommen mit, und wenn du auch nur ein falsches Wort sagst, dann bist du tot! Wir haben einen klaren  Auftrag. Hast du mich verstanden?! - Morgen kannst du flennen, das macht sich gut vor Gericht.«