Zwei Leben

Die Strafsache Wilhelm Schweiger

von Pamela Pabst, gelesen von Ingo Hoppe

07. Glücksgöttin in Schwarz

Am Donnerstag, dem 12. März 1987, hatte Paul Boysen um 9.00 Uhr einen Gerichtstermin. Als er gegen 10.30 Uhr zurück in die Kanzlei kehrte, fand er dort eine völlig verweinte Frau Genest vor. »Gut, Herr Boysen daß Sie endlich kommen«, überfiel sie ihn, kaum daß er das Vorzimmer betreten hatte.»Was um Gottes Willen ist denn passiert, Frau Genest?« fragte er und ahnte nichts Gutes. »Man hat Herrn Schweiger verhaftet«, antwortete sie erschüttert, und diese Nachricht haute auch Paul Boysen um. »Was hat man?« fragte er ungläubig und setzte bereits wieder zu einem Wutanfall an. »Ja und warum haben Sie mich nicht aus der Sitzung holen lassen? Ich verhandele da seelenruhig...«  »Sie waren schon weg, als ich im Gericht anrief«, rechtfertigte sich Frau Genest und wischte die Tränen ab. Himmel und Menschen hatte sie in ihrer Verzweiflung in Gang gesetzt, doch es war ihr nicht gelungen, ihn zu erreichen. »Ja und wie war das? Die haben ihn hier verhaftet oder zu Hause?« bohrte Boysen nach und konnte eigentlich noch immer nicht fassen, was man ihm so eben berichtet hatte. »Nein, hier im Büro«, schluchzte sie. »Herr Klagis hat gesagt, daß er nicht zulasse, daß sie ihn wegtrügen, falls er sich weigere, und wenn er wegen Vollstreckungsvereitelung angeklagt werde oder so ähnlich, hat er gesagt.« »Ja und dann?« »Herr Schweiger hat nur resigniert dagesessen. Herr Klagis hat gesagt, bevor sie ihn mitnehmen fährt er lieber selbst mit ihm im Auto zum Haftrichter nach Moabit. Und das haben sie dann auch gemacht.« Kaum, daß sie das Wort »Haftrichter« ausgesprochen hatte, war Boysen auch schon wieder aufgesprungen und aus dem Zimmer gestürzt. »Rufen Sie seine Frau an, ich fahre nach Moabit!« rief er ihr noch zu  und war im selben Moment schon aus der Tür und halb die Treppe hinunter.