
von Pamela Pabst, gelesen von Ingo Hoppe
Hannah Neelsen fror, doch sie durfte jetzt nicht ungeduldig werden. Nur dünn bekleidet stand sie im verrauchten Wohnzimmer einer Weddinger Neubauwohnung. Vor ihr auf dem Couchtisch lagen ihre Tageseinnahmen, ein kleiner Stapel Geld, den ein ihr zutiefst unsympathischer Südländer soeben zu zählen begonnen hatte, während sein Begleiter in der Küche rumorte. »Wir haben kein Eis mehr«, hörte sie ihn rufen, und der andere wandte sich kurz von seiner Arbeit ab: »Dann muß ich’s halt so trinken.« Er legte einige Scheine auf die Seite und griff nach dem halbgefüllten Whiskyglas neben sich. Dann hielt er ihr die aussortierten Scheine hin. »Hier hast du deinen Anteil.« Obwohl es im Raum nicht besonders hell war, erkannte sie zwei 100-Mark-Scheine, was sie als bodenlose Frechheit empfand. »Da fehlen aber fünfzig«, sagte sie zornig und griff rasch nach dem Geld, aus Angst, nicht einmal dies zu bekommen.
»Mehr gibt’s nicht, die Tarife haben sich geändert, neue Anordnung vom Boß«, sagte er fies und grinste, doch Hannah Neelsen fühlte sich betrogen. Drei Freier hatte sie an diesem Tag gehabt und fest mit 250 Mark gerechnet. »Das seh’ ich aber nicht ein! Ausgemacht waren neunzig vor Ort und achtzig im Hotel!« rief sie wütend, doch die beiden nahmen es gelassen. »Du kannst dich ja beschweren«, antwortete der Typ aus der Küche, der inzwischen ebenfalls von ihr unbemerkt das Wohnzimmer betreten hatte. »Oder klagen, frag doch mal deine Juristen«, lachte der andere. »Der eine hat schon wieder angerufen, da ist Lilli hingegangen.« - Ihr Spott traf sie, als seien es Schläge. Doch was konnte sie ihnen schon entgegensetzen? - Nichts! Sie mußte froh sein, daß sie ihr das Geld ließen.