Zwei Leben

Die Strafsache Wilhelm Schweiger

von Pamela Pabst, gelesen von Ingo Hoppe

25. Heimkehr in die Fremde

Am 8. August war Nina gemeinsam mit ihrer besten Freundin Vera in die erste Grundschulklasse eingeschult worden, und seine Margot hatte auf dem Gymnasium ihren Schuldienst angetreten. Plötzlich war alles sehr schnell gegangen: Bewerbung, Anruf vom Schulleiter, Vorstellungsgespräch, und dann hatte sie die Stelle gehabt. Es hatte gerade einmal drei Tage gedauert.

Ihr zukünftiger Vorgesetzter Oberstudiendirektor Preuß war ein angenehmer Mensch: Etwa 60 Jahre alt, groß und kräftig mit Halbglatze. Eigentlich eine Person, die nicht herausstach aus der Masse, doch wenn er sprach gewann er unglaublich an Sympathie, und dies machte ihn dann doch sehr einzigartig.

Er hatte sie mit einem herzlichen Händedruck empfangen, ihr eine Schale mit Studentenfutter hingeschoben, aus welcher er sich reichlich selbst bedient hatte, und sie nach ihren Fächern gefragt. Dann hatte er ihr die 7 a und einen Oberstufenkurs in Französisch zugewiesen und die 10 b in Geschichte.

Am ersten Schultag hatte er sie auf dem Weg zur 7a begleitet, ihr alles Gute gewünscht und sie dann in die Höhle des Löwen geschickt, doch so schlimm wie sie befürchtet hatte war es gar nicht gewesen. Die Kinder hatten sie freundlich empfangen, und inzwischen hatte sie auch schon einen Vokabeltest geschrieben und die ersten Zensuren vergeben. Nur der Umgangston ihrer Schüler machte ihr etwas zu schaffen. Plötzlich war alles Positive »cool« und »geil«, alles Negative »voll behindert«, und zu einem Trottel sagte man neuerdings »Du Horst!« oder »Du Spast!«.